Weinspezialitäten verkosten, Kontakte knüpfen, sich treiben lassen, genießen – das ist das Idealbild – so stellen sich viele eine Weinmesse vor. Realität sind hohe Teilnahmegebühren, Professionalisierung, gezieltes Networking und eine ordentliche Portion Vitamin B. Wem nützen die großen Weinmessen heute noch wirklich?
Von 19. bis 21. März fand die ProWein 2023 in Düsseldorf statt – die führende internationale Weinmesse Europas. Rund 6.000 Aussteller und 49.000 Fachbesucher aus aller Welt waren vor Ort, darunter allein 231 Betriebe aus Österreich. Zwei Drittel der Besucher waren an Einkaufsentscheidungen beteiligt. Es gibt eine kontrollierte Zulassung; Kenner seien hier unter sich, so der Werbeslogan.
Was nach dem perfekten Networking-Event klingt, hat seinen Preis: Für einen Reihenstand mit einer Mindestgröße von 9 m² sind mehr als 2.400 € zu berappen. Inkludiert sind dabei etwa Medien- und Energiepauschale, aber natürlich weder Reisekosten, noch Unterkunft oder sonstige Kostenpunkte. In Summe betragen die Kosten an die 5.000 €.
„Es war gut für die, die vorbereitet waren.“
österreichischer Winzer lapidar. Er selbst sei vor allem zur Bestandskundenpflege dort gewesen, nur einen kleinen Teil seiner Gespräche habe er mit Neukunden geführt.

Besonders spannend sind Messen wie die Pro Wein für international tätige Winzer. Nirgendwo sonst treffen so viele Händler, Sommeliers, Hoteliers und Aussteller aufeinander. Neben der Pro Wein traf sich das internationale Who is Who der Weinbranche in den letzten Monaten auch auf der Wine Paris (12.–14. 2. 2023) und auf der in diesen Tagen stattfindenden VinItaly (2.–4. 4. 2023). Bei internationalen Händlern aus Asien oder Amerika kann es durchaus passieren, dass sie bei einer Messe nicht auftauchen, weil sie schon zur vorherigen angereist sind – ganz nach dem Motto „Wir waren heuer schon in Europa.“ Tendenziell ist die Pro Wein der internationalste Hotspot, während Wine Paris und vor allem VinItaly einen stärkeren regionalen Fokus haben.
Die Pro Wein – ein prestigeträchtiges Event, das den etablierten Großen Gelegenheit bietet, sich „ins Schaufenster zu stellen“, Kontakte zu stärken und zu knüpfen. Offen bleibt die Frage, was eine solche Messe kleineren Betrieben bringt – denn von denen gibt es in Österreich viele. Hat die Investition der Teilnahmekosten überhaupt einen Sinn, wenn man nicht international tätig und bereits erfolgreich vernetzt ist?
„Die Pro Wein ist für mich unrealistisch“, erklärt ein Winzer mit einem 10 ha Familienbetrieb im Kamptal. „Der Standpreis ist zu hoch, und die Weinmengen, die für internationale Händler interessant wären, hätte ich gar nicht im Keller.“
Auch andere österreichische Kleinbetriebe trauen sich nicht über diese Hürde. Es sei ein großes Risiko für ihn, so viel Geld in die Hand zu nehmen, die Messen seien sehr überlaufen und unpersönlich, abgedroschen. Auch wenn er grundsätzlich an internationalen Kunden interessiert wäre, setze er lieber auf den Vertrieb an Privatkunden, auf Bauernmärkte, Weinfrühling und Mundpropaganda, so ein Winzer aus dem Weinviertel.
Tatsache ist: Kleinbetriebe werden zur Teilnahme animiert, um die Hallen der Messe zu füllen – die Pro Wein gilt als ein Muss für Winzer aller Größen, große Verkaufserfolge werden in Aussicht gestellt. Die Realität: Die Kundenfindung ist für Neuaussteller – ohne eigenes vorheriges Bewerben bei dem betreffenden Händler über mehrere Jahre – fast unmöglich.
Für die Kleinen könnte also Einiges besser laufen bei den großen europäischen Weinmessen. In einer immer vernetzteren Welt, die auf den ersten Blick alle Möglichkeiten bietet, kann der Druck entstehen, diese Netzwerke nutzen zu müssen. Winzer ab einer gewissen Größe stehen vor der Entscheidung, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, international zu exportieren. Genauso viel Sinn kann es aber machen, auf regionale Strukturen, Besonderheiten und exzellente Qualität zu setzen. Ein Treffpunkt für dieses Geschäftsmodell sind die österreichischen Spezialitätenweinmessen, wie etwa die Weinraritäten und Kulinarik im Süden Österreichs – ganz nach dem Motto „Think global, act local!“
(bp)