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Du betrachtest gerade Insolvenzen: Wie ein Weinland zerbröckelt

Bedauerliche Lehrstücke

Schiefer & Domaines Kilger GmbH & Co. KG ist insolvent. Ein moderner, in den Medien hochgelobter Betrieb, den der Investor Kilger in die Zukunft führen wollte, obwohl er mit den Insolvenzen der Domäne Müller und der Steirer Weinproduktion schon Lehrgeld bezahlte. Schiefer ist ein Musterbeispiel, wie Investoren im Bereich Wein geblendet werden:ein tolles Ambiente, ein charmanter Betriebsleiter, verbunden mit den Mengendaten des Weinumsatzes in Österreich. Insgesamt 3,672 Milliarden Euro – ein Mega-Markt. Addiert man: ein bekannter, moderner Betrieb mit medialem Höchstlob in einem Milliardenmarkt – da muss der Erfolg absolut sicher sein.

Er ist es aber keinesfalls, denn wir verkaufen unsere Weine unter dem realen Kostenwert. Qualitativ hochwertiger Wein ist unter 17 Euro pro Flasche, wenn jeder Handgriff bezahlt werden muss, nicht möglich. Diese Aussage ist sogar im Netz mit den Daten der HLBA nachvollziehbar. Der Großteil der Anbieter setzt über die Familie ihren täglichen Aufwand an Zeit und persönlichen Einsatz nie in ihre Kalkulationen ein. Hinzu kommt, dass aufgrund des Finanzdrucks und zumeist unnötiger, imageorientierter Bauwerke die Abnahmemengen eine größere Bedeutung haben als ein kostendeckender Preis. Für Investoren sind solche Aspekte in der Finanzplanung kaum erkennbar. Betrachtet man den Erfolg von Investoren in Österreich, ist nur ein Betrieb wirklich erfolgreich: Hans Schmid mit Mayer am Pfarrplatz.

Qualitativ hochwertiger Wein ist unter 17 Euro pro Flasche, wenn jeder Handgriff bezahlt werden muss, nicht möglich.

Anton Bauer, Feuersbrunn

Das Modell schlechthin: ein engagierter Winzer mit dem Ziel im Hinterkopf, mit hochqualitativen Weinen den Weltmarkt zu erobern. Dazu ist Größe/Masse in der allgemeinen Ansicht eine Voraussetzung. Der Denkfehler? Wer waren unsere Denkmäler? Hirzberger, Jamek, FX Pichler, Igler und Co – was waren diese? Kleinstwinzer mit höchsten Qualitätsbemühen, die noch dazu die Zeit hatten, um sich den Kunden und Medien zu widmen. Natürlich könnte man sagen, das war gestern, vorgestern, aber Nikolai in Guntramsdorf, ein knapp 2-Hektar-Betrieb, hat einen tatsächlichen Welterfolg mit seinem „Saturio“, der ab Hof 138 Euro kostet und in Deutschland, der Schweiz, Taiwan usw. zwischen 160 und 180 Euro verkauft wird. Der Verkauf läuft über Anfragen, Vorbestellungen und Zuteilung. Das sind klare, nachvollziehbare Fakten. Obwohl dieses Beispiel einfach zu prüfen wäre, ist es kein Denk- und Handlungsmuster in den Köpfen.Größe/Masse, verbunden mit hohen Investitionen in Bauten, die vermeintliches Prestige vermitteln sollen sind keine Erfolgsgaranten.

A NOBIS Sektmanufaktur von Norbert Szigeti

Diese Insolvenz ist besonders bedauerlich. Peter Szigeti errichtete eine moderne, an sich kleine Sektkellerei mit den Voraussetzungen, um etwas ganz Großes zu produzieren. Verbunden mit seinem Know-how zeigten sich prompt Qualitäten der Weltspitze. Diese wurden auch fachlich anerkannt, wie die Nominierung in London zum „SPARKLING WINE PRODUCER OF THE YEAR“. Die heimischen Bewertungen – 9x Falstaff-Sieger, 6x Burgenländischer Landessieger, 2x Burgenland Award-Sieger, 2x Salon Österreich-Wein-Sieger, 1x Rosé-Cup-Berlin-Sieger – hatten eine nie dagewesene Dichte.

Wie konnte es sein, dass der markterfahrene Sektmacher die österreichischen Gegebenheiten übersehen hat? Ein Blick zurück: Kattus, Schlumberger, Kleinoscheg belieferten einst die alte Welt – vom Zarenhaus bis zu den Windsors – als Qualität noch im Vordergrund stand. Im heimischen Markt von jetzt zählt nur noch der Preis. Bei Hofer, Billa, Spar usw. finden sich abenteuerliche Getränke in Sektflaschen um 2–3 Euro oder weniger. Unser Problem über Jahrzehnte hinweg war, dass der Maßstab immer der Champagner war. Sekt aus Österreich galt als B-Ware – der billige Perlentrunk. Für die Bestimmenden war der Aufbau, respektive die Rückbesinnung auf eine hohe Sektkultur, kein Thema. Das Grande Cuvée Extra Brut von A Nobis, höchst bewertet um 75 Euro: wer zahlt das in Österreich? Dabei war der Preis gemessen an der Qualität günstig. Der „billige Bereich“ um 15 Euro erscheint im Vergleich zum Restmarkt, wie dem Stolzensekt vom Hofer (1,90 Euro) oder dem „teuren“ Hochriegl (6,99 Euro bei Billa), extrem teuer. A Nobis zeigt den Wert der Awards und Auszeichnungen: Sie bewirken vielleicht ein Image, aber für den Kauf sind sie wenig bis kaum nutzbar.

Wie konnte es sein, dass der markterfahrene Sektmacher die österreichischen Gegebenheiten übersehen hat?

Auch die großen Maßnahmen der ÖWM, Sektaustria mit der Sektpyramide bewirken im Markt – wenn überhaupt bekannt – nichts. Schade um diese Vision von Peter Szigeti. (Anmerkung: Mag. Unterrainer arbeitet seit 8 Jahren an der „Sekt Classique Concours“ für hochwertige Sekte, die trotz geordneter Preise gut gekauft werden.)

Zum Thema: 35 weitere bekannte Weinbaubetriebe in NÖ und Burgendland kämpfen gegen eine Insolvenz an und gelten als insolvenzgefährdet. Es rächt sich das völlig falsche Bild über unser Weinland: Betriebsgrößen können nicht das Ziel sein, sondern der erwirtschaftete Ertrag. Ein weiteres Phänomen liegt in der Philosophie so mancher Weinbaubetriebe, die prunkvolle, überdimensionierte Winerys errichten, um Insignien der Macht auszudrücken. Jeder von uns weiß, was mit dem Weinbau an Erträgen möglich ist. Sieht man so eine „Winery“, muss die Investition nahe einem Wunder gewesen sein.